Das Überleben von Juden in Frankreich 1940-1944

Die Studie Das Überleben von Juden in Frankreich 1940-1944 (364 S.) des Historikers und Politologen Jacques Semelin, Professor an der Sciences Po Paris und emeritierter Forschungsdirektor am Centre national de la recherche scientifique (CNRS), beruht maßgeblich auf biografischen Berichten von Zeitzeugen und von Materialien aus französischen Archiven. Deutlich sichtbar wird die große Bandbreite von Lebenswegen französischer und ausländischer Juden, die von den deutschen Besatzern und der kollaborierenden Vichy-Regierung verfolgt und bedroht wurden. Vielen von ihnen gelang es trotz des verbreiteten Antisemitismus und zahlreicher Denunziationen, ihrer Vernichtung zu entgehen.

Semelins Buch handelt nicht nur von strukturellen Gründen, die das Überleben von Juden ermöglichten, sondern auch von individuell genutzten Handlungsspielräumen. Vor dem Hintergrund der Verhaftung, Deportation und Ermordung von mehr als 80.000 Juden aus Frankreich schildert der Autor die ganze Bandbreite menschlicher Verhaltensweisen und Handlungen: Hilfeleistungen, die aus kleinen Gesten einzelner, aber auch aus koordinierten Aktionen mehrerer Menschen bestanden, in ganz unterschiedlichen Motiven wurzelnd, die von spontanem Mitgefühl, religiösen und ethischen Überzeugungen bis zu ökonomischem Interesse reichten. Er zeigt auch, dass Teile der nicht jüdischen französischen Zivilbevölkerung sich bewusst die Freiheit nahmen, den Anweisungen der diktatorischen Regime beider Länder zuwiderzuhandeln.

Semelin schildert die Juden nicht allein als Verfolgte, sondern als Menschen, die ihr Leben unter extrem schwierigen Bedingungen weiterzuführen versuchten. Seit sie sich ihrer Bedrohung bewusst waren, entwickelten sie – vielfach auf sich allein gestellt – Taktiken, die es ihnen ermöglichten zu überleben. Sie wurden zu den Akteuren ihrer eigenen Rettung, und sie leisteten alltäglichen Widerstand auf der Mikroebene, durch den sie der Verfolgung wenigstens teilweise entkommen konnten.

Susanne Wittek hat das Buch aus dem Französischen übersetzt. Es erschien im September 2018 im Wallstein Verlag, Göttingen, mit einem Vorwort von Serge Klarsfeld.

Die Übersetzung ermöglichten die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, die Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., der Elmar-Tophoven-Mobilitätsfonds der Robert Bosch Stiftung sowie der Deutsche Übersetzerfonds mit einem Arbeits- und Rechercheaufenthalt in La Roseraie, Dieulefit (Departement Drôme, Frankreich).

Das französische Original mit dem Titel La survie des juifs en France 1940-1944 ist die gekürzte und überarbeitete Fassung von Jacques Semelins Publikation Persécutions et entraides dans la France occupée. Comment 75 % des juifs en France ont échappé à la mort (901 S.), erschienen 2013 bei Éditions du Seuil / Éditions des Arènes, Paris.