Hannah Arendt

Hannah Arendt wurde 1906 bei Hannover in einem sozialdemokratisch orientierten jüdischen Elternhaus geboren, in dem die Religion nicht praktiziert wurde. Früh lernte sie von ihrer Mutter, zu ihrer jüdischen Herkunft zu stehen. Angesichts der antisemitischen Ausschreitungen im nationalsozialistischen Deutschland floh sie im September 1933 von Berlin über die Tschechoslowakei ins Pariser Exil. Tief enttäuscht vom bereitwilligen Arrangement einiger intellektueller Freunde mit der menschenverachtenden NS-Ideologie, wandte sie sich der praktischen Sozialarbeit zu und half jüdischen Jugendlichen, sich auf die Auswanderung nach Palästina vorzubereiten.

Nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen im September 1939 und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde sie in Frankreich als „feindliche Ausländerin“ interniert. Nur knapp entkam sie aus dem von deutschen Truppen besetzten Land. Über Spanien und Portugal rettete sie sich gemeinsam mit ihrem Mann Heinrich Blücher ins US-amerikanische Exil.

Dort konnte sie beruflich und sozial Fuß fassen. Mit wachsendem Erfolg lehrte sie an verschiedenen Universitäten politische Theorie. Unter dem Eindruck der Judenvernichtung in Europa verfasste sie ab 1942 ihre Studie „The Origins of Totalitarianism“, die sie 1951 weltberühmt machte. Das Werk erschien 1955 unter dem Titel „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ auf Deutsch. Arendt leitete totale Herrschaft aus dem Antisemitismus und dem Zerfall der europäischen Staatenordnung im Zeitalter des Imperialismus ab, doch wandte sie sich zugleich gegen eine deterministische Geschichtsauffassung: Der Fluss der Geschichte werde von unvorhersehbaren Ereignissen bestimmt und von freien Personen getragen.

Ihre zahlreichen Beiträge zur politischen Theorie, etwa in ihrem Buch „Vita activa oder Vom tätigen Leben“, weisen sie als unabhängige Denkerin aus, die sich weder von wissenschaftlichen Disziplinen noch von politischen Ideologien vereinnahmen ließ. Ihre Überlegungen, die auf der Auseinandersetzung mit Philosophen von der Antike bis zur Neuzeit beruhen, beeinflussen bis heute den demokratietheoretischen Diskurs.

Stets äußerte sie sich auch zu aktuellen politischen Fragen. Ihre klar formulierten Positionen polarisierten wiederholt die öffentliche Debatte. Scharf kritisierte sie die zögerliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen durch die Bundesrepublik Deutschland. Angesichts der Konflikte im Nahen Osten trat sie für eine israelisch-arabische Konföderation ein, jedoch konnte sie nur wenige Mitstreiter gewinnen. Ihr Bericht über den Gerichtsprozess in Jerusalem gegen Adolf Eichmann, den maßgeblichen Organisator des Völkermordes an den Juden, und ihre These von der „Banalität des Bösen“ entfachten anhaltende, bittere Kontroversen. Trotz heftiger inhaltlicher und persönlicher Angriffe rückte Arendt nicht von ihrer Auffassung ab.

Sie starb 1975 in New York.