Willy Haas

Willy Haas (1891-1973) wuchs in Prag auf. Er entdeckte früh seine Liebe zur Literatur und gründete schon als Jugendlicher mit seinem Mitschüler Franz Werfel einen Lesezirkel, in dem mit verteilten Rollen dramatische Werke gelesen wurde. Im Café Arco, Treffpunkt der jungen tschechischen und deutschen Literaten des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaates, lernte er den noch unbekannten Franz Kafka und dessen Freund Max Brod kennen.

Seinen Einsatz als Soldat der k.u.k. Monarchie überstand Willy Haas körperlich unbeschadet. Wegen des zunehmend antisemitischen Klimas in Prag ging er anschließend nach Berlin. Dort betätigte er sich als Filmkritiker, bevor er 1925 Herausgeber der legendären Literarischen Welt wurde, der wichtigsten Literaturzeitschrift der Weimarer Republik, finanziert von Ernst Rowohlt.  Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 kehrte er nach Prag zurück, doch die vermeintliche Zuflucht wurde rasch zur politischen Falle, und so war es ein Glücksfall, dass er wenige Tage vor Einmarsch der deutschen Truppen in Prag im März 1939 dank der Vermittlung eines Freundes die Arbeitsplatz-Zusage einer indischen Filmgesellschaft bekam. Haas überlebte die NS-Diktatur im indischen Exil, wo er sich u.a. mit Filmkritiken, Drehbüchern und Arbeiten über deutsche Literatur über Wasser hielt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Europa zurück, zunächst nach England, dann nach Deutschland, wo er ab 1948 seine Erfahrungen als Zeitungsmann für den Aufbau der Welt am Sonntag (WamS) und für das Feuilleton der Welt nutzbar machte. Die Zeitungen erschienen seit April 1946 unter der Leitung und der Kontrolle der britischen Besatzer in Hamburg. Nachdem die britische Kontrolle seit 1948 schrittweise reduziert und nach Inkrafttreten des Grundgesetzes im Mai 1949 und der Einführung der allgemeinen Pressefreiheit beendet worden war, kaufte der Hamburger Verleger Axel Springer im September 1953 beide Blätter. Von nun an war Haas als »Redakteur zur besonderen Verwendung« tätig, an kein Ressort gebunden, sondern direkt dem Chefredakteur unterstellt. Bis an sein Lebensende genoss er im Axel Springer-Verlag einen privilegierten Sonderstatus.

Jüngeren Kollegen galt Haas als lebendige Brücke zur Literatur der Zwanzigerjahre, als ein »Kompendium der Kulturgeschichte«, wie Siegfried Lenz einmal formulierte. Sie verehrten ihn als Herausgeber der legendären Literarischen Welt, die die Nationalsozialisten zerstört hatten. Er selbst bezeichnete sein Leben angesichts mehrfach geänderter Exilorte, Staatsbürgerschaften und Broterwerbe einmal als »fragmentarisch (…) – dank Adolf Hitler, den zwei Weltkriegen und allem, was danach noch kam«.